Warum sind eMails anders?
Elektronische Kommunikation unterscheidet sich, aufgrund ihrer Geschwindigkeit und Verbreitung, grundlegend von der papierbasierten Kommunikation (Briefe oder Faxe). Da die Antwort sehr viel schneller erfolgen kann, sind eMails - mehr als traditionelle Briefe - ein direktes Gespräch. Bei einem Papier-Dokument ist es dagegen sehr wichtig, dass alles absolut klar und unzweideutig ist, da der Empfänger oft nicht die Chance hat, nachzufragen. Bei eMails kann dagegen direkt gefragt werden.
Darüber hinaus neigt man in eMails dazu, ebenso wie in einer Unterhaltung, eine eher saloppe Sprache zu verwenden. Das ist nicht immer schlimm. Es macht wenig Sinn, stundenlang über einer Nachricht zu sitzen, die Rechtschreibung zu kontrollieren, elegant zu formulieren und eine einwandfreie Grammatik zu verwenden, wenn man nur seinem Kollegen mitteilen möchte, dass man zum Essen gehen will.
Wie auch immer: Ihr Gesprächspartner hat in der Regel auch keine Informationen über Sie, wie z.B. Ihre Kleidung, Ihre Ausdrucksweise oder Ihren Dialekt, so dass er sich aufgrund Ihres Namens, Ihrer Adresse und - sehr wichtig - aufgrund Ihres Umgangs mit Sprache, von Ihnen ein Bild macht. Daher sollten Sie darauf achten, wann Sie salopp und wann Sie seriös sein sollten. eMails geben, im Gegensatz zu einer Unterhaltung oder einem Telefonat, auch keine Informationen über Emotionen. Es fehlt die Modulation der Stimme, die Gesten und die gemeinsame Umgebung. Ihr Gesprächspartner kann keine Aussage darüber treffen, ob sie gerade ernst sind oder flunkern, ob sie glücklich oder traurig, frustriert oder enthusiastisch sind. Sarkasmus kann in eMails sogar sehr gefährlich sein.
Ein weiterer Unterschied zwischen eMail und älteren Medien besteht darin, dass der Empfänger die Nachricht nicht unbedingt so empfängt, wie Sie sie erstellt haben. Ihre Stimmbänder erzeugen Töne, die grundsätzlich sowohl von Ihnen als auch von Ihren Gesprächspartnern gleich wahrgenommen werden. Das Papier, auf dem Sie eine Liebesbotschaft schreiben, ist das gleiche, das auch das Objekt Ihrer Begierde sieht. Bei eMails ist aber die Hard- und Software, die Sie und Ihr Gegenüber für das Senden und Empfangen benutzen, oft vollkommen verschieden. Es kann also sein, dass Ihre Nachricht auf dem Bildschirm des Empfängers ganz anders aussieht als bei Ihnen. Daher sollten Ihre eMails anders sein als Ihre Briefe oder Ihre Sprache.
Als ich diesen Text zum ersten Mal schrieb, gab es wenige Informationsquellen über den Inhalt von eMails. Diejenigen, die sich mit den Inhalten von eMail beschäftigten, äußerten sich nur äußerst sparsam über den Stil und gaben nur wenige Gründe dafür an, warum der Stil in eMails anders ist. Ich schrieb diese Anleitung, um diese Lücke zu schließen: um Ihnen zu sagen, wie man seine Nachricht dem neuen Medium anpasst.
Seit ich die erste Version dieser Anleitung geschrieben habe, fand ich einige andere Dokumente über eMail, die mehr als nur die Funktionen des Programmes beschreiben. Daher gibt es nun eine kurze Bibliografie über Stil und Netiquette.